Hier findest Du pädagogische Hinweise, die Du benutzen kannst, um eigenständig eine Gruppe durch die Ausstellung zu begleiten. Bedenke bitte, dass Dein Rede- und Aktionsanteil dabei äußerst gering sein sollte, um die Eigenständigkeit der Denkarbeit Deine Gruppe oder Deiner Schüler:innen zu ermöglichen.
Zum Download klicke auf den jeweiligen Link.
Seite 1 beinhaltet Infos für Dich oder Deine einführenden Hinweise mit Deiner Gruppe in der Ausstellung.
Seite 2 gibt methodische Ideen zur Arbeit Deiner Gruppe in der Ausstellung.
Viel Vergnügen!!
Hier kommen jetzt „Methodenkarten“, die wir während der Guideschulung gemeinsam erstellt haben. Die Ideen dazu kamen zu einem großen Teil vom Anne-Frank-Zentrum in Berlin und wurden durch die Gespräche mit dem Guide-Team ergänzt:
Methoden für die ganze Gruppe
ABC-Liste
Aufgabenstellung: „Finde zu jedem Anfangsbuchstaben des Alphabets einen Begriff von einer der Ausstellungsstelen. Es wäre toll, wenn durch Deine Liste das Lebensgefühl der jungen Menschen, bzw. Zwangsarbeiter:innen erkennbar wird.“
Reflexion: Lebensgefühl erfassen, Gefühlsradio.
Zeitvorgabe: 15 Minuten
Auswertungsfragen:
- Was sagten Eure gesammelten Worte über das Lebensgefühl von Zwangsarbeiter:innen aus?
- Was ist Euer erster Eindruck nach der Arbeit?
- Welche Entdeckung hat Euch am meisten berührt?
- Was habt Ihr aus eurer Arbeit und unserm Gespräch mitgenommen?
Gallerywalk:
Kommentare werden unter Fotos auf Karten geschrieben. Zu diesen Kommentare werden in einer 2. Runde Kommentare verfasst. So entsteht eine stille Diskussion. Die Karten anschließend clustern, die Cluster auf Gruppen oder Personen verteilen und „Sätze“ aus den Kommentaren zusammenstellen lassen.
Reflexion: Erfassen der Wirklichkeit der ehemals jungen Menschen, die von der Ausstellung beschrieben werden.
Methoden für Kleingruppen
Fiktives Interview mit einer Person
Aufgabenstellung: „Bitte bildet Gruppen bis zu 3 Personen. Lest Euch die Infos zu einer der Personen aus der Ausstellung durch und führt ein fiktives (erfundenes) Interview mit ihr. Achtet darauf, dass die Schauspielerin die Antworten aus dem Bauch heraus gibt und dass die genauen Fakten bei dieser Methode nicht das Wichtigste sind.“
Das Interview kann entweder in der Kleingruppe oder in der Gesamtgruppe vorgestellt werden.
Reflexion: Individualität und Schicksal von Einzelpersonen zum Vorschein bringen.
Zeitvorgabe: Wenn die Arbeit in der Kleingruppe erfolgen soll, dauert die Phase etwas länger. (20 Minuten). Falls die Rollenspiele im Plenum vorgestellt werden sollen, ist die Reflexionsphase im Plenum eher lang.
- Man bittet die Schüler:innen, sich in 2er bis 3erGruppen aufzuteilen und ein Interview zu führen.
- Die Gruppe stellt ein Interview vor.
- Fragestellung am Ende: „Stell Dir vor, es wäre das Jahr 2024 und hier wären lauter junge Leute um Dich. Was würdest Du ihnen mitgeben?“
Variante:
- Heißer Stuhl: Alle Teilnehmer:innen dürfen ein Teammitglied (Guide) befragen, das eine der Personen darstellt.
Wichtig zum Abschluss: Die Schauspieler:in muss aus der Rolle der Person entlassen werden.
„Zum Leben“ erwecken“
Sucht euch ein Foto heraus, stellt es pantomimisch nach. Erfindet andere Personen, die in der Nähe der fotografierten Person stehen könnten. Bringt das Ganze in eine Gesamtsituation. Was passiert gerade und wer von den dargestellten Personen sagt gerade was? Gibt es Hameln-Pyrmonter:innen oder andere Zwangsarbeiter:innen dabei?? Wer sind die Opfer, Täter, Zuschauer, Arbeitgeber:innen?
Reflexion: Übertragung herstellen – wie fühlt sich das an, wenn ich in so einer Situation gewesen wäre? Was geschieht in der Geschichte eines Menschen um ihn herum?
Entwerfen einer Gegenkampagne:
„Stell Dir vor, Du bist ein/e Jugendliche in der Zeit der NS-Zwangsarbeit und du bist dagegen, wie die jungen Menschen behandelt werden und wie sie leben müssen. Bitte entwerft in Teams eine Gegenkampagne. Der Unterschied ist, dass Ihr nicht bestraft werdet, wenn Ihr Eure Ideen, Thesen und Forderungen veröffentlicht.“
Reflexion: Welche Haltung gegenüber Missständen, die eine Gesellschaft ganz normal erzeugt, ist hilfreich? Woher kommt meine Energie dazu? (Werte, Antriebe)
Motive nicht zu helfen
Alle sitzen im Kreis und der/die Leiterin fragt: „Menschen aus Hameln-Pyrmont begegneten den deportierten jeden Tag. Was hält Menschen davon ab, zu helfen?“ Der/dem Gesprächsleiter:in werden Stichworte zugerufen, die auf Moderationskarten geschrieben werden. Clustern und Diskutieren der Cluster (Was bedeutet das für damals/für heute?). Ergebnisse könnten sein: Angst, Unsicherheit, Antipathie, Unsicherheit, eigene Ausgrenzung, Blamage, Zeitmangel, Lust. …
Reflexion: Was „kostet es“ wenn ich nicht helfe?
Ergebnisse könnten sein: Gewissensbisse, Vorwürfe, Gefährdung von Leben, Angst, Unterlassene Hilfestellung, geschwächtes Selbstwertgefühl. Wenn ich das jetzt über mich und über die Menschen weiß – was möchte ich gerne tun?
Schreiben zu Vorurteilen, Außenseitertum und Diskriminierung
Lesen Sie die jeweilige Geschichte vor und stoppen Sie sie an einer der Stellen mit einem Schrägstrich (/). Von dort an sollen die Teilnehmer:innen/Besucher:innen die Geschichte weiter spinnen und die Spannung auflösen und die Erzähl-Fäden zu einem spannenden Schluss verknüpfen.
„So sind die N…“, Im Zugabteil, Die Geschichte vom jungen Krebs. (die Geschichten finden sich unter diesem Punkt nach der Reflexion.
Reflexion: Kann ich Vorurteile, Diskriminierung und Ausgrenzung erkennen und beschreiben? (Die drei Texte zu dieser Methode finden sich ganz unten auf diesen Blättern.)
Hier kommen jetzt die drei Geschichten:
(1) So sind die N…r.
Es kaufte sich eine ältere Frau im Schnellrestaurant einen Teller Suppe. Behutsam trug sie die dampfende Köstlichkeit an einen Stehtisch, hängte ihre Handtasche darunter. Dann ging sie noch einmal zur Theke; den Löffel hatte sie vergessen.
Als sie zum Tisch zurückkehrte, stand dort doch tatsächlich einer jener Afrikaner – schwarz, Kraushaar, bunt wie ein Paradiesvogel und löffelte die Suppe. /// Zuerst schaute die Frau ganz verdutzt, dann aber besann sie sich, lächelte ihn an und begann, ihren Löffel zu dem seinen in den Teller zu tauchen.
Sie aßen gemeinsam. Nach der Mahlzeit – unterhalten konnte man sich kaum – spendierte der junge Mann ihr noch einen Kaffee. Er verabschiedete sich höflich. / Als die Frau gehen wollte und unter den Tisch zur Handtasche greifen will, findet sie nichts – alles weg! Also doch ein gemeiner, hinterhältiger Spitzbube. Ich hätte es mir doch gleich denken können – Gemeinheit! / Enttäuscht, mit rotem Gesicht schaut sie sich um. Er ist spurlos verschwunden. Aber am Nachbartisch erblickt sie einen Teller Suppe, inzwischen kalt geworden.
Darunter hängt ihre Handtasche. (Aus: Manfred Zacher »Vorurteile«)
(2) Zugabteil.
Zwei Passagiere in einem Eisenbahnabteil. Wir wissen nichts über ihre Vorge-schichte, ihre Herkunft oder ihr Ziel. Sie haben sich häuslich eingerichtet, Tischchen, Kleiderhaken, Gepäckablagen in Beschlag genommen. Auf den freien Sitzen liegen Zeitungen, Mäntel, Handtaschen herum. Die Tür öffnet sich, und zwei neue Reisende treten ein. /// Ihre Ankunft wird nicht begrüßt. Ein deutlicher Widerwille macht sich bemerkbar, zusammenzurücken, die freien Plätze zu räumen, den Stauraum über den Sitzen zu teilen. Dabei verhalten sich die ursprünglichen Gäste, auch wenn sie einander gar nicht kennen, eigentümlich solidarisch. Sie treten, den neu Hinzukommenden gegenüber, als Gruppe auf. Es ist ihr Territorium, das zur Disposition steht. Jeden, der neu zusteigt, betrachten sie als Eindringling. Ihr Selbstverständnis ist das von Eingeborenen, die den ganzen Raum für sich in Anspruch nehmen. ///
Nun öffnen zwei weitere Passagiere die Tür des Abteils. /// Von diesem Augenblick an verändert sich der Status der zuvor Eingetretenen. Eben noch waren sie Eindringlinge, Außenseiter; jetzt haben sie sich mit einem Mal in Eingeborene verwandelt. Sie gehören zum Clan der Sesshaften, der Abteilbesitzer, und nehmen alle Privilegien für sich in Anspruch. Paradox wirkt dabei die Verteidigung eines »angestammten« Territoriums, das soeben erst besetzt wurde; bemerkenswert das Fehlen jeder Empathie mit den Neuankömmlingen, eigentümlich die rasche Vergesslichkeit, mit der das eigene Herkommen verdeckt und verleugnet wird.
(Gekürzt aus: Hans Magnus Enzensberger »Die große Wanderung«)
(3) Die Geschichte vom jungen Krebs.
Ein junger Krebs dachte bei sich: »Warum gehen alle Krebse in meiner Familie immer rückwärts? Ich will vorwärts gehen lernen wie die Frösche, und mein Krebsschwanz soll mir abfallen, wenn ich es nicht fertig bringe.«
Und heimlich begann er zwischen den großen Steinen seines heimatlichen Bächleins zu üben. In den ersten Tagen kostete ihn dieses Unternehmen ungeheure Kräfte. Überall stieß er sich und quetschte sich seinen Krebspanzer, unaufhörlich verfing sich ein Bein im anderen. Aber von Mal zu Mal ging es ein bisschen besser, denn: alles kann man lernen, wenn man will.
Als er sich seiner Sache sicher war, stellte er sich vor seine Familie und sagte: »jetzt schaut mir einmal zu!« Und machte einen ganz prächtigen kleinen Lauf vorwärts. / »Sohn«, brach da seine Mutter in Tränen aus, »bist du denn ganz verdreht? Komm doch zu dir – gehe so, wie wir es dich gelehrt haben.
Gehe wie deine Brüder, die dich alle lieben.« Seine Brüder jedoch lachten ihn nur aus. Der Vater schaute ihn eine Weile streng an und sagte dann: »Schluss damit. Wenn du bei uns bleiben willst, gehe wie alle Krebse. Rückwärts! Wenn du aber nach deinem eigenen Kopf leben willst – der Bach ist groß -, geh fort und komm nie mehr zu uns zurück!« ///
Der brave junge Krebs hatte die Seinen zwar zärtlich lieb, war aber so sicher, er handle richtig, dass ihm nicht die mindesten Zweifel kamen. Er umarmte seine Mutter, sagte seinem Vater und seinen Brüdern Lebewohl und machte sich auf in die Welt. ////
Als er an einem Grüppchen Kröten vorüber kam, erregte er großes Auf-sehen. Sie hockten schwatzend unter den Blättern einer Wasserlilie. »Jetzt geht die Welt verkehrt herum«, sagte eine dicke Kröte, »schaut euch nur diesen jungen Krebs an!« »Ja, Respekt gibt es überhaupt nicht mehr«, sagte eine andere. »Pfui, pfui«, sagte eine dritte.Doch der junge Krebs ließ sich nicht anfechten und ging aufrecht seine Straße weiter. ///
Plötzlich hörte er, wie ihn jemand rief. Es war ein alter Krebs, der allein auf einem Stein saß: »Was glaubst du, was du da Großartiges anstellst? Als ich noch jung war, wollte ich auch den Krebsen das Vorwärtsgehen beibringen. Sieh mal, was mir das eingebracht hat! – Ich muss ganz allein leben, und die Leute meiden mich. Hör auf mich, solange es noch nicht zu spät ist! Bescheide dich und lebe wie die anderen! Eines Tages wirst du mir für meinen Rat dankbar sein!« /// Der junge Krebs wusste nicht, was er antworten sollte, und blieb stumm. Aber im Innern dachte er: »Ich bleibe doch dabei! Ich gebe nicht auf!« Und nachdem er den Alten höflich gegrüßt hatte, setzte er stolz seinen Weg fort. Ob er weit kommt? Ob er sein Glück macht? Ob er alle schiefen Dinge dieser Welt gerade richtet?
Wir wissen es nicht, weil er noch mit dem gleichen Mut und mit der gleichen Entschiedenheit dahinmarschiert wie am ersten Tag. Wir können ihm nur von ganzem Herzen eine gute Reise wünschen. (Gekürzt aus: Max Feigenwinter »Soziales Lernen im Unterricht«, Gianni Rodari »Die Geschichte vom jungen Krebs«)
Möglicher Ablauf einer Ausstellungsbegleitung durch die Guides
Ausstellungsbesuch – ein Entwurf:
09.45 Ankommen und Begrüßung – „Eine Ausstellung über Zwangsarbeiter:innen – das sind deportierte und verschleppte Menschen, an denen Verbrechen begangen wurden.“
09.50 Abfrage: Was möchte ich hier erleben, dass die Ausstellung für mich zu einem großen „AHA!“ wird? Die Ideen werden an eine Metaplanwand geclustert. Einführung in die Idee der Ausstellung, ins Thema und in den Ablauf
09.55 Explorationsphase / Entdeckerwerkstatt / Workshops fürs Leben (Schreiben, Grafiken, Mail und Postits da lassen, Selfies für Insta, … uvAm.
10.20 Auswertung und Nutzbar-Machen für die eigene Biografie/Fragen stellen
10.35 Feedbackrunde
10.45 Ende
Info: Die Zeit ist sehr eng geplant. Durch den Rahmenplan darf eine Begleitung bis zu 80 Minuten dauern – das sind 20 Minuten mehr, als hier angegeben.