„Gesichter“! – Der Hintergrund

Drei der "Gesichter" aus der Ausstellung von Bernhard Gelderblom

Eine Einführung von Bernhard Gelderblom

Das Ausstellungsprojekt „Gesichter – NS-Zwangsarbeit in Hameln-Pyrmont“ ist den etwa 10.000 Menschen gewidmet, die zwischen 1939 und 1945 aus Osteuropa nach Hameln-Pyrmont deportiert wurden. Viele von ihnen waren Jugendliche und Kinder. Zu dem Leid, das die Menschen in Hameln-Pyrmont erfahren mussten, tritt häufig eine lebenslange Benachteiligung nach der Rückkehr in die Heimat. 

Wichtigste Quelle der Ausstellung sind Briefwechsel und Interviews, die Bernhard Gelderblom, Kurator der Ausstellung, 2000 bis 2006 mit etwa 120 ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern geführt hat. 

Hinzu kommen die Akten des Stadtarchivs Hameln und des Kreisarchivs Hameln-Pyrmont sowie weiterer Archive aus dem Zeitraum 1939-1945. Im Unterschied zu den oben genannten Quellen, die Selbstaussagen der Betroffenen enthalten, handelt es sich hier um Behördenakten, darunter nicht selten Polizeiakten. 

Schwerpunkt der Ausstellung sind Schicksale einzelner Betroffener. Anhand der behördlichen Akten, noch mehr aber der Briefe, Besuche des Kurators vor Ort in Polen bzw. der Ukraine und zweier Einladungen von Gruppen aus Polen und der Ukraine nach Hameln lassen sich Schicksale über einen längeren Zeitraum verfolgen. Damit werden die teilweise lebenslangen Belastungen deutlich, die der Raub der Jugendjahre zur Folge gehabt hat. 

Ein Beispiel ist Olga Barbesolle, die als 16-jähriges Mädchen aus Charkiw deportiert wurde, vier Jahre in der Rüstungsfabrik Domag arbeiten musste, 1945 nach ihrer Heirat mit einem französischen Kriegsgefangenen nach Paris gehen konnte und in der Folge von ihrer in Charkiw lebenden Familie getrennt war. 

Ein anderes Beispiel ist die Krimtartarin Merem Osmanowa, die am 13. September 1942 im Alter von 13 Jahren in der Stadt Bachtschissarai (Krim) auf der Straße aufgegriffen und nach Deutschland verschleppt wurde. Bis Kriegsende musste sie auf einem Hof in Tündern arbeiten. Da Stalin alle Krimtartaren aus der Krim ausgewiesen hatte, fand sie nach der Rückkehr ihre Eltern nicht mehr, sondern wuchs bei ihrer Schwester in Usbekistan auf. Erst 1990, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, konnte sie auf die Krim zurückkehren. Bis dahin hatte sie ihren Aufenthalt in Deutschland sogar gegenüber ihren Kindern geheim gehalten, da die Menschen, die während des Krieges in Deutschland hatten arbeiten müssen, in der Sowjetunion als Verräter galten. 

Die Ausstellung dient der Vorbereitung der Schaffung eines „Erinnerungsortes Zwangsarbeit“ in Hameln. Dessen Realisierung ist für das Frühjahr 2025 geplant, also zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Mit etwa 670 Toten stellen die ausländischen zivilen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie die Kriegsgefangenen die größte NS-Opfergruppe in Hameln-Pyrmont. Eine Erinnerung an sie fehlt bis heute in Hameln-Pyrmont.